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IM NRW
Jugendliche Kriminelle sollen die „Kurve kriegen“
Polizei und pädagogische Fachkräfte arbeiten zusammen
„Kurve kriegen“ ist eine kriminalpräventive Initiative der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, die kriminalitätsgefährdeten Kindern und Jugendlichen hilft, Wege aus der Kriminalität zu finden.
IM NRW

Sie sind noch sehr jung und doch schon auf dem Weg in eine „kriminelle Karriere“: Mehrfachtatverdächtige Kinder und junge Jugendliche in besonderen sozialen Problemlagen. Bevor solche Entwicklungen Fahrt aufnehmen, beugt die nordrhein-westfälische Polizei gezielt und wirkungsvoll vor. Mit der NRW-Initiative „Kurve kriegen“ hilft sie den jungen Menschen und ihren Familien aus der Kriminalität. Dabei geht die Polizei NRW neue Wege, um Betroffene und Fachleute einzubinden.

„Kurve kriegen“ wurde im Jahr 2011 im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen auf Grundlage der Handlungsempfehlungen der Enquetekommission "Prävention"  entwickelt. Wissenschaftlich ist die Wirksamkeit und Effizienz der Inititiative durch die Evaluationen der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel und der PROGNOS AG gut belegt. „Kurve kriegen“ wurde 2017 in die „Grüne Liste Prävention“ aufgenommen.

„Die NRW-Initiative Kurve kriegen setzt Maßstäbe in der Kriminalprävention und der Verhinderung von Jugendkriminalität. Ob mit dem innovativen Ansatz, pädagogische Fachkräfte in die Teams der Polizei einzubinden und individuell auf die Ursachen für Kriminalität zu schauen oder mit der wissenschaftlich attestierten Wirksamkeit und Effizienz“ sagt Innenminister Herbert Reul.

 

Das Konzept: Wie kann man gefährdeten Kindern und Jugendlichen eine neue Perspektive geben?

Hintergrund

Wissenschaftlich gut belegt ist, dass etwa 6 – 10 Prozent aller tatverdächtigen Kinder und Jugendlichen für bis zu 50 Prozent der Delikte dieser Altersgruppe verantwortlich sind. Aus ihnen können sich bei ungünstigen Rahmenbedingungen und ohne wirkungsvolle Intervention so genannte „Intensivtäter“ entwickeln. Ein solcher „Intensivtäter“ hinterlässt bis zu seinem 25. Lebensjahr durchschnittlich bereits 100 Opfer, die er bestiehlt, beraubt, verprügelt oder anderweitig schädigt. Damit einher gehen etwa 1,7 Millionen Euro an sozialen Folgekosten, die er in dieser Zeit direkt oder indirekt verursacht. Eine mögliche Entwicklung zum „Intensivtäter“ zeichnet sich häufig frühzeitig, oftmals bereits im Kindesalter ab.

Ziel

Die NRW-Initiative „Kurve kriegen“ hat zum Ziel, die Entwicklung besonders kriminalitätsgefährdeter Kinder und junger Jugendlicher zu „Intensivtätern“ frühestmöglich zu erkennen und nachhaltig zu verhindern, um so die Anzahl der von ihnen begangenen rechtswidrigen Taten bzw. Straftaten und damit auch die Anzahl ihrer Opfer auf „Null“ zu reduzieren bzw. sehr deutlich zu verringern.

Leitgedanken

Frühe Hilfe statt späte Härte! Mit Blick auf die vielen Opfer, die enormen sozialen Folgekosten, die ein „Intensivtäter“ verursacht sowie seine erwartbare soziale Randständigkeit muss die Intervention frühestmöglich erfolgen – und zwar bevor die „Karriere“ Fahrt aufnimmt. Die Investition von Personal und Geld in der frühen Phase der Auffälligkeiten ist im Vergleich zu später notwendigen Investitionen, Kosten und Maßnahmen gering – und vor allen Dingen wirkungsvoll. Denn: Aus pädagogischen und kriminologischen Gründen ist es zielführend, sich so frühzeitig wie möglich, individuell und passgenau um die Ursachen der Kriminalität dieser jungen Menschen zu kümmern. Die Fokussierung auf potenzielle Intensivtäter/ Intensivtäterinnen ist mit Blick auf die hohe Zahl verhinderter Taten und Opfer besonders effizient. Zudem wird den jungen Menschen eine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe geboten.

Zielgruppe

Kinder und Jugendliche, überwiegend im Alterssegment von 8 bis 15 Jahren, die mit mindestens einer Gewalttat oder drei Eigentumsdelikten polizeilich in Erscheinung getreten sind und deren Lebensumstände derart risikobelastet sind, dass ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminalität droht.

„Kurve kriegen“ basiert auf fünf Maßnahmen

„Kurve kriegen“ wurde im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen auf Grundlage der Erkenntnisse der Enquetekommission „Prävention“ zur Erarbeitung von Empfehlungen für eine effektive Präventionspolitik entwickelt. Sie basiert auf fünf Maßnahmen.

1. Frühzeitiges Erkennen besonderer Kriminalitätsgefährdung

Durch ein umfassendes und standardisiertes Risikoscreening von Polizei und pädagogischen Fachkräften können die besonders kriminalitätsgefährdeten Kinder und jungen Jugendlichen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt sondiert und identifiziert werden. Dabei werden neben den strafrechtlichen Auffälligkeiten insbesondere die Lebensumstände der jungen Menschen in den Fokus genommen. Der frühe und individuelle Ansatz verhindert aus polizeilicher Sicht Kriminalität und zahlreiche weitere Opfer und ist aus pädagogischer Sicht besonders sinnvoll, um die notwendigen Verhaltensänderungen herbeizuführen.

2. Kompetente multiprofessionelle Fachkräfteteams

Pädagogische Fachkräfte von anerkannten Trägern der freien Kinder- und Jugendhilfe sind mittels Dienstleistungsverträgen in die Arbeit der Polizei eingebunden. Sie sind hochqualifiziert und erfahren im Umgang mit der Zielgruppe. Sie haben ihren Arbeitsplatz in den Polizeibehörden. Dort steht ihnen ein kompetenter und erfahrener Kriminalbeamter als Teampartner zur Seite. Ein Konzept, dass sich bewährt hat. Kurze Wege und ein schneller Austausch sind so jederzeit gewährleistet. Die pädagogische Fachkraft ist tagesaktuell über die Teilnehmer informiert und kann flexibel auf Veränderungen, z. B. neue Taten, reagieren.

3. Gemeinsame und verbindende Netzwerkarbeit

Die pädagogischen Fachkräfte fungieren als Bindeglied zum Jugendamt und weiteren Kooperationspartnern wie z. B. Schulen. Sie koordinieren die Netzwerkarbeit und erstellen unter Berücksichtigung aller Aspekte, z. B. Planungen und Anregungen des Jugendamtes, ein passgenaues kriminalpräventiv wirkendes Angebot für die Kinder, Jugendlichen und deren Familien.

4. Individuelle und passgenaue Maßnahmen

Die pädagogischen Fachkräfte schöpfen aus einem reichhaltigen pädagogischen und kriminalpräventiven Angebot lokaler Anbieter. Damit steht ihnen ein umfangreicher so genannter Baukasten an Maßnahmen zur Verfügung, der aus Elementen wie Kompetenztrainings (z.B. Coolnesstrainings oder Elterncoachings), integrativen Angeboten (z. B. Lernhilfe, Sprach- und Sportkurse), freizeitpädagogische Angeboten und weiteren wie z. B. Sucht- oder Schuldenberatung besteht. Wichtig dabei: Auf die Passung kommt es an! In manchen Fällen helfen bereits einzelne Maßnahmen, in anderen orchestriert die pädagogische Fachkraft ein ganzes Bündel solcher Hilfen.

5. Finanzielle Beteiligung des Landes

Die Prävention von Jugendkriminalität steht in einem besonderem Landesinteresse, daher werden die Kosten für die pädagogischen Fachkräfte vollständig sowie die Maßnahmenkosten bis auf wenige Ausnahmen vollständig durch das Land NRW getragen.

„Kurve kriegen“ vor Ort

Die NRW Initiative „Kurve kriegen“ zur Verhinderung von Jugendkriminalität ist mittlerweile bereits in 21 Kreispolizeibehörden ein fester Bestandteil der kriminalpräventiven Arbeit. Die Polizei, freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Kommunen arbeiten in dieser bundesweit einmaligen Initiative eng zusammen.

 

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