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Christoph Weiß als Berater der Gendarmerie Nigers
Vom Landrat Heinsberg in den Niger
Christoph Weiß berichtet über seine EU-Mission in Niger. Das Land war und ist ein Transitland für mehr als 70 Prozent der afrikanischen Flüchtlinge in Richtung Europa. Hier entstand ein Netzwerk von Menschenhändlern, aus dem sich viele weitere Kriminalitätsformen entwickelten.
Christoph Weiß

Ich bin mit über 30 Jahren Diensterfahrung Angehöriger des Wach- und Wechseldienstes des Landrats Heinsberg, habe viele Jahre als Dienstgruppenleiter und Wachdienstführer gearbeitet und bin seit mehreren Jahren als Rater (bewertendes Mitglied) bei Auswahlkommissionen tätig. Auslanderfahrung konnte ich in Afghanistan und Mali sammeln.

Mein Erfahrungsschatz sowie meine Sprachkenntnisse in Französisch sollten nicht ungenutzt bleiben und eine weitere Bewerbung für einen französischsprachigen Einsatzraum folgte. Im Rahmen eines Sprachkurses beim Landesamt für Aus- und Fortbildung wurde ich dann mit der Frage konfrontiert, ob ich auch für eine Verwendung bei Eucap im Rahmen der zivilen Mission der Europäischen Union zur Unterstützung der Inneren Sicherheit in Niger bereit sei.

 

Ausbildung und Beratung der lokalen Polizei sowie Stärkung der Inneren Sicherheit

Bereits 2012 hat die Europäische Union im Rahmen ihrer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) die zivile Unterstützungsmission »European Capacity Building Sahel Niger«, kurz Eucap Sahel Niger, ins Leben gerufen. Der nigerianische Staat steht im Human Development Index auf dem vorletzten Platz (187 von 188) und war in den letzten Jahren auch durch die Ausbreitung des radikalen Islamismus auf internationale Hilfe angewiesen

Das Ziel der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union in Niger ist die Ausbildung und Beratung der lokalen Polizei und die Stärkung des Inneren Sicherheitssektors. Die Beteiligung Deutschlands an der Mission ist relativ neu. Der Kabinettsbeschluss von November 2016 sieht bis zu 20 Polizistinnen und Polizisten vor. Zurzeit arbeiten zwei deutsche Polizisten in Niger, davon einer aus Nordrhein-Westfalen. 

 

Nigrische Gastfreundschaft und sprachliche Hürden

Ich arbeite jetzt als Berater der Gendarmerie Nigers täglich von 8 Uhr bis 18.15 Uhr im weit gefassten Bereich der »Human Resources«. Tätigkeitsfelder sind Bestandsaufnahmen der Organisation, Hilfe bei der Umsetzung von strukturellen Veränderungen (Projektbetreuung), Koordination mit weiteren Hilfsorganisationen, aber auch die Unterrichtung in Fragen von Menschenrechten. Langfristig gilt es, die hiesigen Sicherheitsstrukturen nachhaltig zu stärken, um Krisen autonom und effektiv zu bewältigen. Das einhergehende Berichtswesen nach Brüssel stellt einen großen Teil meiner Arbeit dar.

Persönlich schätzen gelernt habe ich die Gastfreundschaft vieler nigrischer Kollegen. Ich wurde etwa ganztägig zum muslimischen Opferfest eingeladen oder unversehens wurde mir die Rolle als Ehrengast bei einer lokalen Sportveranstaltung zuteil, bei der ich die Medaillen an die Sportler verleihen durfte. 

Sportliche Freizeitaktivitäten wie das Lauftraining im örtlichen Nationalstadion müssen in Absprache mit Kollegen und unter Beachtung der Sicherheitslage selbst geplant werden … sofern man bei Temperaturen deutlich jenseits der 30 Grad Celsius noch Bedürfnis dazu verspürt.

In der Hauptstadt Niamey werden von der EU angemietete Gebäude bereitgestellt, die von Zivilisten und Polizeibeamtinnen und -beamten aus derzeit 15 verschiedenen EU-Nationen bewohnt werden. Auch hier ist interkulturelle Kompetenz gefragt, denn auch wenn jeder sein eigenes Zimmer besitzt, werden Küche und Wohnraum geteilt. Für die täglichen Mahlzeiten, Einkäufe oder Kleiderreinigung ist jeder selbst verantwortlich. Man versucht sich bestmöglich zu organisieren oder wie der Franzose sagt: „On applique le système ›D‹ – on se debrouille!“ (man beißt sich durch).

Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich beim Thema Sprache: Niger gehört zum frankophonen Sprachraum und außer lokalen Sprachen wie Hausa oder Zarma wird ausschließlich Französisch gesprochen. Für mich ist dies die größte Herausforderung, da afrikanische Dialekte das Gehörte stark verzerren können, kein Übersetzer zur Verfügung steht und weil jeglicher Schriftverkehr auf Französisch stattfindet. Hin und wieder darf ich mir den eigenen Frust nicht anmerken lassen, wenn der französische Kollege seinen Bericht in wenigen Minuten in feinstem Amtsfranzösisch abliefert und ich selbst »etwas zeitintensiver« beschäftigt bin. Mut machen mir die französischen Kollegen, die in der Kaffeepause immer wieder geduldig dem »Allemand« die mir entgangene Pointe eines Witzes erklären. Selbstverständlich darf auch hier im Niger gelacht werden.

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