Weil Straftäter nicht vor Landesgrenzen Halt machen, hatte Uwe Jacob als damaliger Leiter des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 entschlossen reagiert. Peter Slabbers, "Hoofdinspecteur van Politie der Niederlande" aus der "Eenheid Limburg", bekam ein Büro im LKA NRW, um als Verbindungsbeamter der nationalen Polizei der Niederlande (Nationale Politie) den polizeilichen Austausch auf beiden Seiten der Grenze weiter zu verbessern.
Auch Frank Hoever, der Behördenleiter des LKA NRW, weiß: Die länderübergreifende Kriminalitätsbekämpfung ist von großer Bedeutung. Sie ist dynamisch und muss ständig angepasst werden. Aus seinen kriminalpolizeilichen Erfahrungen und dem Wissen um internationale Zusammenhänge in vielen Kriminalitätsbereichen hat er den Anspruch, eine schnelle und effektive länderübergreifende Zusammenarbeit zu gewährleisten.
Bereits bei seiner Amtseinführung betonte er, dass es ihm ein besonderes Anliegen ist, die Kontakte zu den niederländischen und belgischen Behörden weiter auszubauen. Mittlerweile ist die internationale Zusammenarbeit ein strategischer Schwerpunkt im LKA NRW. Ein Beispiel: Am 31. Oktober 2016 unterzeichneten der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maiziére, der Innenminister aus Belgien, der Minister für Sicherheit und Justiz der Niederlanden sowie die Innenminister der Länder Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen die sogenannte »Aachener Erklärung«. Sie vereinbarten damit eine intensivere grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Wohnungseinbruchs. Seither arbeiten das LKA NRW und die Verantwortlichen der anderen Länder gemeinsam daran, die vereinbarten Maßnahmenpakete in die Praxis umzusetzen. Die Kreispolizeibehörden vertiefen diese Zusammenarbeit durch vielfältige Maßnahmen im täglichen Dienst und berichten dazu jährlich an das LKA NRW.
Erfolge bestätigen die gemeinsame Arbeit
Wie gut das Zusammenspiel der Länder funktioniert, zeigen die Ergebnisse der letzten Monate: So führte etwa die Arbeit von gemeinsamen Ermittlungsgruppen zu Festnahmen nach Geldautomatensprengungen. Als besonders wertvoll erweisen sich auch gemeinsame Ermittlungen gegen mobile Täter der Eigentumskriminalität (Konzept MOTIV – Mobile Täter im Visier). So entstanden und entstehen wichtige operative Kontakte. Es werden gemeinsame Absprachen zum Vorgehen getroffen und auf beiden Seiten der Grenze Best-Practice-Methoden ausgetauscht.
Gemeinsame Übung an der deutsch-holländischen Grenze
Im Rahmen der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit erkannten die Verantwortlichen immer deutlicher, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Übung durchzuführen, um eine grenzüberschreitende Anschlagslage im Ernstfall bewältigen zu können. Schon Ende 2015 setzten sie sich deshalb auf strategischer Ebene im Landeskriminalamt NRW zusammen. Im September 2016 führten deutsche und niederländische Polizeiführer und Stabsleiter eine gemeinsame Planbesprechung beim Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der NRW-Polizei in Selm durch. Daraufhin beschlossen die Verantwortlichen eine große gemeinsame Stabsrahmenübung. Auf niederländischer Seite gab es dazu im zweiten Halbjahr 2017 dann mehrere Planungstreffen. Der Ständige Stab des Polizeipräsidiums Bielefeld bereitete die Übung vor, an der unter anderem der Ständige Stab des Polizeipräsidiums Münster, die Landesleitstelle und das LKA NRW mit dem Lagedienst und einer Informationssammelstelle (ISA) bei der Abteilung Staatsschutz teilnahmen.
Übung zeigt Verbesserungsbedarf
Im November 2017 war es dann soweit. Das Szenario der Übung: Es kommt zu einem Anschlag in den Niederlanden am Outlet-Center in Roermond. Im weiteren Verlauf flüchten die Täter in Richtung Deutschland. Eine Verfolgungsfahrt muss abgebrochen werden. Ungefähr zeitgleich verüben andere Täter in der rund 250 km nördlich gelegenen Stadt Emmen einen Anschlag. Sie flüchten ebenfalls in Richtung Deutschland. Ziel der Übung war es, den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den beteiligten Polizeiorganisationen in den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu proben. Durch die Einsatzsituation in Roermond und die Flucht über die nur wenige Kilometer entfernte Grenze nach Deutschland war es erforderlich, fahndungsrelevante Informationen zwischen den zuständigen Polizeibehörden der Niederlande und der Polizei Nordrhein-Westfalen schnell weiterzugeben. Die Nachbereitung hat gezeigt: Es gibt Bereiche in den Abläufen, die verändert, fortentwickelt oder angepasst werden müssen. Daran arbeitet man bereits. Es sind Schritte in die richtige Richtung, um die Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten der Grenze vor weiteren Anschlägen zu schützen. Polizeiführer beider Länder haben die Übung des jeweils anderen Landes als Beobachter begleitet. Auch deren Wahrnehmungen flossen in die Nachbereitung ein.
Konsequenzen aus der Übung
Aus der Nachbereitung im niederländischen Arnheim unter Beteiligung aller Einsatzleitungen haben sich einige Konsequenzen ergeben. Auch die auf nordrhein-westfälischer Ebene in Bielefeld durchgeführten internen Nachbereitungen flossen mit ein:
Kommunikation ist allesDie vorbereitete Übung machte einen regelmäßigen Austausch und fortwährende Kommunikation notwendig. In grenzüberschreitenden Einsätzen ist insbesondere die schnelle Weitergabe von Lageinformationen zwischen den beteiligten Ländern entscheidend, um diese erfolgreich zu bewältigen. Dafür sind strukturiert vorbereitete Kommunikationswege, z. B. zuvor festgelegte Telefonverbindungen zwischen den deutschen Leitstellen und den niederländischen "Meldkamern" (Leitstellen) sowie die Digitalfunkrufgruppe "EUCOM" zu nutzen. Hier muss der Austausch noch schneller werden.
Austausch von VerbindernBesonders wichtig ist es, während eines solchen Einsatzes über BAO-Verbindungsbeamte mit entsprechenden Sprachkenntnissen zu verfügen, insbesondere in den jeweils anderen Stäben. So gehen keine Informationen verloren und Wesentliches zum Einsatzverlauf wird auf kurzem Wege übermittelt. LKA NRW und LZPD NRW haben bereits gemeinsam mit der niederländischen Polizei ein Konzept entwickelt, konkrete Vereinbarungen hierzu getroffen und auch bereits BAO-Verbinder ausgetauscht.
Hospitationen im NachbarlandIn größeren grenzüberschreitenden Einsatzlagen wird es entscheidend für den Erfolg sein, die Kommunikationswege und Führungsstrukturen des Nachbarlandes zu verstehen. Hierzu leisten gegenseitige Hospitationen auf beiden Seiten der Grenze einen wertvollen Beitrag. Das LZPD NRW hat bereits die Zusammenarbeit mit den "Meldkamern" in den Niederlanden, insbesondere mit dem direkten Ansprechpartner in Driebergen, intensiviert. Polizeiführer aus Deutschland und den Niederlanden konnten und können sich über das LZPD NRW während vergleichbarer BAO-Lagen ein eigenes Bild vor Ort über die Art der Einsatzbewältigung und Strukturen der Polizei des jeweiligen Nachbarlandes machen. Es ist beabsichtigt, den BAO-Verbindungsbeamten ähnliche Möglichkeiten anzubieten.
Ob all diese Maßnahmen Wirkung zeigen, soll perspektivisch durch eine erneute gemeinsame Übung überprüft werden.
Parallelen erkennen – Unterschiede begreifenErfolgsbestimmende Faktoren, um Kriminalität zu bekämpfen und Anschläge zu bewältigen, sind bereits in beiden Ländern erkannt. Besonders gewinnbringend und nützlich wird es sein, die jeweils effektiveren Methoden des einen in das Portfolio des anderen zu übernehmen und als gemeinsame Standards fest zu etablieren. BAO-Verbindungsbeamte werden auch zukünftig ein wertvolles ergänzendes Instrument zu den bereits bestehenden Kommunikationsstrukturen sein. Die bereits vorhandenen guten Netzwerke werden weiter ausgebaut und in Zukunft noch erheblich engmaschiger geknüpft sein. Das wird grenzüberschreitend agierenden Tätern und Terroristen ihr Handeln zukünftig deutlich erschweren.