Triebwerke werden gecheckt, Prüfberichte verfasst und der Tankcontainer wird getestet. Ein Hubschrauber fliegt zum nahen Rhein, um einem Jetskifahrer, der die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hat, zu helfen. Mit ihrer Vielseitigkeit und den rund 2.000 Einsätzen im Jahr gewährleistet die Fliegerstaffel eine effektive und effiziente Einsatzbewältigung für die Polizei NRW.
Mit dem Airbus H145 verfügt das Land NRW über den derzeit modernsten auf dem Weltmarkt verfügbaren Polizeihubschrauber. Nach der Umrüstung von vier auf fünf Rotorblätter vor knapp zwei Jahren haben sich die unangenehmen Vibrationen reduziert. Das war durchaus wichtig, denn es bestand Sorge, dass die Vibrationen über eine längere Zeit zu Gesundheitseinschränkungen führen könnten. Mit dem dadurch gestiegenen Komfort können sich die Crews jetzt auch besser auf ihre Aufgaben konzentrieren – die Suche nach Vermissten, die Fahndung nach Straftätern, die Unterstützung von Spezialeinheiten, die Rettung von Menschen oder die Bekämpfung von Waldbränden. Jede Crew besteht aus zwei Piloten und einem Operator. Ein Arbeitsplatz mit viel Abwechslung: spannend, aufregend und verantwortungsvoll. Man könnte meinen, die jungen Polizistinnen und Polizisten würden Schlange stehen für diese Jobs an den Standorten Düsseldorf und Dortmund. Doch die Fliegerstaffel hat Nachwuchssorgen. Sowohl Pilotinnen und Piloten als auch Operatorinnen und Operatoren werden gesucht.
Früher war die Fliegerei eine reine Männerdomäne. Das ist nicht mehr der Fall. Angelique Wibbeler war acht Jahre im Streifendienst. Dann erfuhr sie, dass die Fliegerstaffel einen Operator suchte. Die Hobbypilotin meldete sich – mit Erfolg. Seit September 2023 sitzt die Polizeioberkommissarin im Cockpit. Stationiert ist sie in Dortmund. Sie bedient die Wärmebildkamera, wenn nachts nach einer vermissten Person gesucht wird. Oder sie hält mit der Videokamera große Versammlungen und Staus im Bild fest. Bei Waldbränden muss sie den Helikopter dirigieren und selbst auf die Kufen steigen. Es gilt, dabei eine gute Position zu finden. Der unter dem Rumpf eingehakte Löschbehälter muss per Knopfdruck an der richtigen Stelle ausgekippt werden. 820 Liter fasst der sogenannte „Bambi Bucket“.
Zwar gehört Angelique Wibbeler noch nicht sehr lange zum fliegenden Personal. Doch sie hatte schon etliche Glücksmomente. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr der Einsatz, bei dem sie eine suizidgefährdete junge Frau aus der Luft erspähte, die als vermisst gemeldet worden war. „Eine Person mit rotem Pullover lag zusammengekauert und bewusstlos auf einer Erhöhung. Wir landeten auf einer anliegenden Wiese und trugen sie zur nächsten Straße, wo sie durch den RTW und den Notarzt behandelt werden konnte.“
Ohne die rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Technischen Betriebs der Fliegerstaffel könnten die sechs Helikopter an den Standorten Düsseldorf und Dortmund freilich überhaupt nicht sicher abheben. Marc Dietel zum Beispiel. Der Mechaniker hat mehr als 30 Jahre bei der Lufthansa Großflugzeuge in Schuss gehalten. Bis Corona kam und Personal eingespart werden musste. „Eine befreundete Polizistin hat mir geraten, mich bei der Fliegerstaffel zu bewerben.“ Eine gute Idee, findet er heute. Der Wechsel klappte dann auch vor zwei Jahren. Der 56 Jahre alte Düsseldorfer ist froh, den Schritt zur Polizei gemacht zu haben: „Es geht mir um sauberes, perfektes Arbeiten.“ Das sei hier möglich. Man werde respektiert und nicht ständig angetrieben. Er mag den „kleinen Haufen“ der Kolleginnen und Kollegen und den Airbus H145. Inzwischen kennt er jede mechanische Verbindung und jede Schraube. „Hubschrauber aus der Staffel überfliegen häufig mein Haus im Süden der Stadt. Da kriege ich familiäre Gefühle. Irgendwie passt nun alles zusammen“, sagt er.
Kein Wunder. Das Arbeitsklima stimmt. Und dass Dietel schließlich bei der Fliegerstaffel gelandet ist, hat sich irgendwie gefügt. Denn mit „Helis“ fühlte er sich immer schon verbunden. In seiner Freizeit baut er Modellhubschrauber zusammen. „Das ist schon lange mein Hobby.“ Das seien keine zusammengebastelten Miniaturspielzeuge. „Das sind schon richtige Maschinen, die 1,65 Meter erreichen.“
Kollegin Stephanie Bohr ist bei der Bundeswehr zur Fluggerätmechanikerin ausgebildet worden. Danach ging sie zur Bundespolizei. Vor drei Jahren hat sie bei der Fliegerstaffel angefangen und eine Prüferausbildung absolviert. „Ich wollte mich weiterentwickeln.“ Es gefällt ihr, jetzt noch mehr Verantwortung zu übernehmen. „Wir müssen die Ausfallsicherheit der Systeme garantieren“, erläutert sie. Wartungsprogramme müssten eingehalten und abgearbeitet werden. Wenn Teile repariert worden sind, prüft die 45-Jährige anschließend, ob der Hubschrauber wieder freigeben werden darf. „Bei wichtigen Komponenten ist noch ein Gegencheck vorgeschrieben.“ Bei den obligatorischen Testflügen sei immer mindestens ein Techniker an Bord.
Luftfahrzeuge und besonders Hubschrauber können bei einem Defekt nicht einfach auf den Randstreifen fahren und auf den Pannendienst warten. Sie werden regelmäßig gründlich untersucht und auf Verschleiß überprüft. Bauteile sind auszutauschen, bevor sie sich abgenutzt haben. Viele kritische Systeme sind doppelt vorhanden, wie die beiden Triebwerke. Es gibt jedoch Teile, die unter keinen Umständen ausfallen dürfen. Der H145 würde im Extremfall abstürzen.
„Alles wird komplexer“, sagt David Horn (47), der früher bei der Bundeswehr Tornados instand gehalten hat. Er ist wie Stefanie Bohr Mechaniker und Prüfer. Gerade sitzt er am Computer und schreibt an den Hersteller. Bei einer Inspektion sind Kratzer am Rotormast aus Titan entdeckt worden, an dem der Rotor befestigt ist und der somit den ganzen Hubschrauber in der Luft hält. „Erstmal vermessen wir, wie tief die Kratzer sind.“ Grundsätzlich stelle sich bei allen Komponenten immer die Frage: Reparatur oder Austausch?
Störungen müssen unter allen Umständen vermieden werden. Das garantieren auch die Avioniker. Bei der aufwendigen Umrüstung des H145 von vier auf fünf Rotorblätter verlegten sie Kabelstränge und Anschlüsse, bauten eine Hydraulikpumpe ein und versetzten den Notfallsender von vorn nach hinten. Wenn es um Konnektivität geht, schalten sich die Fluggeräteelektroniker ein.
Sämtliche Prozesse sind digital gesteuert. ITler Sebastian Haps ist bei der Truppe im Juli 2022 eingestiegen. 17 Jahre arbeitete er in der Wirtschaft. Es habe ihn gereizt, bei der Polizei anzufangen. „Vielleicht liegt das an meiner Familie, in der es ein paar Polizisten gibt“, erzählt er. Als die IT-Stelle ausgeschrieben war, nutzte er die Gunst der Stunde. Der enge Kontakt zur Technik macht ihm Spaß. Er bindet neue fertige Software in die Geräte ein oder programmiert selbst.
Keiner würde in einen Hubschrauber einsteigen, wenn er nicht wüsste, dass die Technik zuverlässig funktioniert. Damit das gewährleistet ist, gibt es von den Behörden strenge Auflagen. Die europäische Luftfahrtbehörde EASA setzt extrem hohe Standards für die Zulassung im Flugbetrieb. „Das ist auch gut so“, findet Thorsten Voß, der Technische Leiter. „Nachlässigkeiten dürfen wir uns nicht leisten, sonst gefährden wir uns und andere.“ Bis zu 50 Prozent der Arbeitszeit müssten in die erforderlichen Dokumentationen investiert werden, berichtet der Erste Polizeihauptkommissar. Das Wartungspersonal sei bestens geschult und besitze gute Englischkenntnisse. Ohne die geht es nicht mehr. Fast alle technischen Unterlagen sind in Englisch verfasst.
„Es dauert viele Jahre, bis man einen Hubschrauber reparieren und anschließend für den nächsten Flug freigeben darf“, führt der gebürtige Bochumer aus. Jeder Handgriff und jedes Modul würden verzeichnet. „Wir können über die gesamte Nutzungsdauer eines Helikopters nachvollziehen, welche Elemente einbzw. ausgebaut wurden und wer was gemacht hat. Das Ganze ergibt einen riesigen Datensatz. Mehrmals im Jahr wird kontrolliert, ob alle Vorschriften und Regeln eingehalten worden sind. „Wir können nicht sagen, wir machen die nächste Inspektion später oder wir probieren mal was Günstiges aus.“ Die Hubschrauber seien voraussichtlich 20 Jahre im Einsatz und müssten auch dann noch so zuverlässig fliegen wie am ersten Tag.
„Leider ist es nicht einfach, Personal für diesen spezialisierten Bereich zu gewinnen“, so Thorsten Voß. „Die Branche ist sehr klein und wir konkurrieren mit großen Fluggesellschaften, die ihre Flugzeuge reparieren lassen müssen. Wir betreiben viel Aufwand, um Personalabgänge zu ersetzen, und sind froh, wenn auch innerhalb der Polizei Werbung für uns gemacht wird.“
Es existiert kaum ein Spielraum bei den Kosten. Torsten Roxin, seit drei Jahren dabei, hat eine kaufmännische Ausbildung durchlaufen und anschließend für Speditionen, Logistikunternehmen und eine luxemburgische Airline als Supervisor gearbeitet. Er unterstützt Voß bei Kalkulationen und ist im Rechnungs- und Beschaffungswesen tätig. Vom Credo, dass Sicherheit an oberster Stelle steht, wird aber natürlich nicht abgerückt.
Im Geschäftszimmer hält Diana Pinand die Fäden in der Hand. Die Polizeihauptkommissarin kümmert sich um Einkäufe, Verträge und Liegenschaft sowie um den Schriftverkehr. Privat ist sie eine Schrauberin und setzt Oldtimer instand. Und sie begeistert sich für Flugschauen, bei denen historische Militärmaschinen zu sehen sind.
Neben der Flugeinsatzgruppe in der Landeshauptstadt gibt es eine zweite in Dortmund. Die beiden Teams kooperieren sehr eng miteinander. Jeder kennt hier jeden. Insgesamt sind es über 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter ca. 40 Pilotinnen und Piloten. Sie fliegen den H145 und führen die Gespräche im Flug- und Polizeifunk. Für organisatorische Belange ist Carsten Krämer als Senior Operator zuständig. Er führt Auswahlgespräche und ist in die Erstausbildung zum Operator eingebunden. „Anwärterinnen und Anwärter sollten auf jeden Fall einen stabilen Magen haben und schwindelfrei sein“, beschreibt er mit breitem Lächeln eine Grundvoraussetzung der Tätigkeit.
Zwölf Operatoren beschäftigt die nordrhein-westfälische Fliegerstaffel. „Doch wir hätten gern noch zwei Stellen mehr, die wir mittelfristig ausschreiben und besetzen möchten“, konstatiert er. Seit 15 Jahren ist der Polizeihauptkommissar schon in der Staffel. Die Anforderungen seien in diesem Zeitraum stark gewachsen. „Neben den bekannten polizeilichen Aufgaben wollen wir auch in der Lage sein, Rettungseinsätze bei Hochwasserkatastrophen oder bei der Waldbrandbekämpfung zu unterstützen.“ Zwar ist die Polizei für diese Vorfälle nur nachrangig zuständig, aber die Polizeifliegerstaffel ist die einzige fliegende Landeseinheit. Daher hilft sie in diesen Fällen natürlich mit, die Schäden und Gefahren für die Bevölkerung möglichst gering zu halten. „Aber wir machen auch eine Menge anderer Dinge. Zum Beispiel können wir Unfallspuren von oben über ein Rasterverfahren zentimetergenau ausmessen“, informiert er. Die Aufklärungsarbeit mit der Kamera sei noch immer wichtig, auch wenn Drohnen schon einiges übernommen hätten. „Bei Staatsbesuchen sammeln wir aus der Luft Infos, ob die Gebäude sicher sind.“ Man schaue aber auch mal nach, ob irgendwo verbotene Cannabis-Plantagen lägen. Diese Flüge finden dann nachts statt, dann erspähen die Polizisten aus der Luft die Leuchtquellen in den illegalen Treibhäusern.
Stolz ist die Fliegerstaffel auch auf ihr Tankfahrzeug, das in einem absetzbaren Container 6.000 Liter Kerosin transportieren kann. Normalerweise tanken die Hubschrauber auf einem Flughafengelände. Bei vielen Einsatzlagen ist der Airport allerdings weit entfernt. Man vergeudet also Zeit, wenn ein H145 immer wieder dorthin zurückfliegen muss, um aufzutanken. Mit dem Lastwagen kann man jetzt eine große Menge Kraftstoff in die Nähe der Gefahrengebiete bringen. Das verkürzt die notwendige Zeit für die Tankstopps und reduziert die Kosten. Das ganze Team ist begeistert. Auch ITler Sebastian Haps, Diana Pinand vom Geschäftszimmer und Kaufmann Torsten Roxin unterstützen das Bodenpersonal bei der Logistik und packen mit an.
„Das zeigt unseren außergewöhnlichen Spirit“, hebt Technikleiter Voß hervor, der auch ausgebildeter Pilot ist. „Jeder ist bei uns bereit, auch mal etwas außer der Reihe zu tun.“ Der Veteran der Staffel mit 22 Dienstjahren glaubt, dass manch einer noch immer unterschätzt, was diese ungewöhnliche Polizeieinheit alles leisten muss. Es braucht im Hintergrund deutlich mehr als nur die Hubschrauber und die Pilotinnen und Piloten. „Fliegen ist leider sehr teuer“, stellt der 53-Jährige fest. „Aber wir retten damit Menschenleben und schützen die Bevölkerung.“
Die Umrüstung der Hubschrauber zur Jahreswende von 2022 auf 2023 habe noch einmal einen Schub gebracht. „Mit fünf Rotoren besitzen wir nun deutlich mehr Power. Das hilft bei Waldbränden.“ Die Nutzlast hat sich um 100 Kilo erhöht. „Das bringt bei zehn Umläufen mit Löschwasser immerhin eine ganze Tonne zusätzlich.“ Die Umrüstung sei ganz schnell umgesetzt worden, bilanziert Voß. Nicht überall funktioniere das so reibungslos.
Bewährt bei der Fliegerstaffel haben sich flache Hierarchien. „Hier zählen vor allem die Fähigkeiten und Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unabhängig von ihrem Dienstgrad“, so Thorsten Voß.