Nach der Beendigung meiner Ausbildung zur Polizeikommissarin in Nordrhein-Westfalen stieß ich vor kurzem auf das Programm „Europäische Kommissariate“ des Innenministeriums. Gesucht wurden ein oder mehrere deutsche Kollegen, die zu bestimmten Einsätzen innerhalb eines festgelegten Zeitraums als Sprachmittler die französischen Kollegen in Frankreich unterstützen. Hauptsächlich geschieht dies durch gemeinsame Streifen - die einzige Voraussetzung französische Sprachkenntnisse. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich bereits im ersten Jahr nach meiner Ausbildung an dem Projekt teilnehmen könnte, reichte trotzdem eine Bewerbung ein und war umso überraschter, als ich die Zusage für meinen Auslandseinsatz erhielt. Der Einsatzanlass war das Rockfestival „Eurockéennes“, welches in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum in Belfort feierte.
Nach einer circa fünfstündigen Anreise mit meinem Auto erreichte ich Mittwochabend Belfort, eines der kleinsten Departements Frankreichs im Elsass. Untergebracht wurde ich im fünften Stock einer Kaserne auf dem Gelände. Bei der Gendarmerie ist ein Großteil der Kollegen verpflichtet, in den Kasernen zu wohnen. Viele leben dauerhaft mit ihren Familien dort, um möglichst häufig in Bereitschaft zu sein. Hier wurde mir zum ersten Mal der militärische Charakter der Gendarmerie bewusst. Er wurde noch deutlicher, als einige Kollegen nach dem Anblick meiner Uniform vor mir salutierten. Salutieren gilt als Zeichen des Respekts gegenüber Vorgesetzten und Führungskräften. Ich kam häufig nicht darum herum, die Unterschiede der deutschen und französischen Dienstgrade zu erklären; der „gehobene Dienst“ ist in Frankreich automatisch mit Führungsfunktionen verbunden.
Gemeinsame Einsatzplanung
Am nächsten Morgen durfte ich bei der Einsatzbesprechung (la Reunion) dabei sein. Getreu dem Motto: „das Wichtigste zuerst“ wurde zunächst die Frage nach der Verpflegung geklärt. Danach folgten einige allgemeine Einsatzdaten. So erfuhr ich, dass an den vier Festivaltagen insgesamt rund 130.000 (!!) Besucher erwartet wurden, fast doppelt so viele wie bei vergleichbaren Veranstaltungen in Deutschland.
Für das Festival sollten 270 Beamte entweder vor Ort, in Bereitschaft oder „in Reserve“ ihren Dienst versehen. Die Einsatzplanung der Gendarmerie für das Festival ähnelte sehr der Einsatzvorbereitung bei uns. So wurden einzelne „Abschnitte“ für die Verkehrsorganisation, die Anzeigenposten am Campingplatz und die „technische Zone“ direkt am Eingang des Festivalgeländes aufgestellt. Mobile Einheiten wurden für eine mögliche Intervention auf dem Gelände bereitgehalten. Unter den „Spezialeinheiten“ fanden sich meine Schweizer Kollegen und ich zusammen mit der Diensthundstaffel wieder.
Bei der Einsatzbesprechung wurde vor allem auf Massenpaniken, die Überschneidung mit der Fußball-WM und mögliche Attentate als aufkommende Probleme hingewiesen. Gerade der letzte Punkt schien für die französischen Kollegen nach den bisherigen Ereignissen mehr als präsent zu sein.
Eurockéennes - Ein Festival der Superlative
Im Anschluss an die Besprechung zeigten mir die Kollegen das Gelände - eine Halbinsel, die mit dem Auto circa zehn Minuten von Belfort entfernt liegt. Das besondere Highlight bildet hierbei eine der vier Bühnen, die „la plage“ bzw. der Strand genannt wird, weil sie direkt auf den See (Lac du Malsaucy) gebaut ist.
Ab 17 Uhr begann dann offiziell das Festival und anlässlich des 30-jährigen Jubiläums wurde den Besuchern eine beeindruckende Flugshow des französischen Militärs geboten - natürlich mit Effekten in den französischen Nationalfarben.
An den darauf folgenden Festivaltagen durfte ich den vor Ort eingesetzten Einheiten bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Dabei entdeckte ich so manche Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede in der deutschen und französischen Arbeitsweise.
Besonders beeindruckt war ich von der Diensthundstaffel, die trotz der hochsommerlichen Hitze (30°) in der Menge der Besucher zielsicher zahlreiche Drogenfunde machte. Die mobilen Einheiten, welche für Interventionen in Krisenfällen vorgehalten wurden, kamen glücklicherweise nicht zum Einsatz. Insgesamt herrschte eine große Zufriedenheit bei den Veranstaltern und Verantwortlichen der Gendarmerie, da das Festival sehr ruhig verlief. Als Sprachmittler wurde ich das eine oder andere Mal gebraucht, jedoch meist eher um den Besuchern den Weg zum Eingang, zu den Bussen oder der Fundgrube zu erklären. Die vier Tage waren für mich eine tolle Erfahrung und ich bedanke mich bei allen Verantwortlichen, die dieses Projekt verwirklicht haben.