Hier ihr Erfahrungsbericht:
Weniger als 5 Kilometer sind es von der Landzunge südlich von Çeşme in der Türkei bis nach Karfas auf der griechischen Insel Chios. Die Schlauchboote, die schon zu Tausenden zwischen der türkischen Küste und den griechischen Inseln zum Einsatz kamen, brauchen mit ihren 20 PS Außenbordern ca. 45 Minuten, um griechischen Boden zu erreichen.
An ruhigen Tagen ist das Meer so glatt, dass man sich fast darin spiegeln kann, an ruhigen Tagen! Wenn Wind aufkommt, entwickelt sich ein ordentlicher Wellengang. So hoch, dass ihm die im Verborgenen zusammengeflickten Schlauchboote, auf denen zwischen 50 bis 80 Menschen die Überfahrt wagen, nicht immer gewachsen sind. Dann ist die Querung dieser Landenge lebensgefährlich, insbesondere wenn man nicht schwimmen kann. Daran ändern auch die alten Reifenschläuche oder die mit Styropor und anderen Isolierstoffen gefüllten Rettungswesten nichts. Das Wetter hat hier jedoch nicht nur Auswirkungen auf das Meer, sondern auch auf die Preise. Je sicherer die Überfahrt, desto höher ist auch die Summe, die die Schleuser auf der türkischen Seite für eine Überfahrt verlangen.
So, oder so ähnlich, erzählen es die deutschen Polizeibeamten, die in den von der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX eingerichteten Zentren bei der Registrierung der Flüchtlinge helfen. Unsere eigenen Eindrücke bestätigen diese Berichte. Am Morgen des 16. Februar, kurz nach unserer Ankunft, verstirbt gegen 02:00 Uhr ein vierjähriger Junge bei der doch so kurzen Überfahrt. Auf Chios ist er der Erste, der diesen Teil des Wegs nicht überlebt. Andere werden von der niederländischen Koninklijke Marechaussee oder der griechischen Küstenwache aufgenommen oder erreichen die Küste von Chios, wo sie von NGOs (Non-governmental Organizations) in Empfang genommen werden. Die NGOs verfügen hier über eine bemerkenswerte Organisation und Logistik. Wer sich helfen lässt, bekommt etwas Verpflegung und eine Decke und wird zur Registrierung in das eilig eingerichtete FRONTEX-Zentrum gebracht.
Hier trifft man das erste Mal auf deutsche Polizeibeamte. Zusammen mit der Bundespolizei helfen auch Kolleginnen und Kollegen der Länder bei der Registrierung als „Screener“, „Fingerprinter“ oder „Debriefer“. Die Arbeitsbedingungen sind nicht leicht. Die Registrierung erfolgte zu Beginn des Einsatzes noch in einer alten Fabrikhalle. Inzwischen wurde ein Wertstoff-Hof umfunktioniert. Auch fordern die Temperaturen, Staub und die immer wieder eintretenden massiven Überlastungen der Einrichtung die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen heraus. Darüber hinaus ist der Registrierungsprozess nicht stringent organisiert, was immer wieder zu Blindleistungen führt. In diesen Momenten werden die unterschiedlichen Ansätze der Beteiligten sichtbar; auch hier ist noch Luft nach oben. Mit der sich hieraus ergebenden Frustration müssen die umgehen, die sich für diesen Einsatz melden.
Die allgemeinen Lebensbedingungen auf den Inseln sind im Vergleich mit anderen Missionen unproblematisch. Unterkünfte können derzeit auf den auf Tourismus eingestellten Inseln gut beschafft werden. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Frischwasser stellt kein Problem dar. Dies gilt auch für die persönliche Sicherheit.
Abschließend kann das Resümee gezogen werden, dass der FRONTEX Einsatz seine ganz eigenen Herausforderungen bietet. Diese sind mit anderen Missionen nur schwer zu vergleichen. Auch wenn der Einsatz auf europäischem Territorium stattfindet, birgt er seine Tücken. Die kurze Einsatzdauer von 8 Wochen, die aufgrund der regelmäßig zu erwartenden Belastungen von den zuständigen Medizinern festgelegt wurde, lässt dies schon erahnen.