Polizeieinsatz während der Sommersaison in Agde im Süden Frankreichs

Streifenwagen der Marke „Dacia“
Polizeieinsatz während der Sommersaison in Agde im Süden Frankreichs
Die Stadt Agde ist bekannt für Tourismus und vor allem für das FKK- Camping. Die Touristen stammen überwiegend aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, der Schweiz und natürlich aus Frankreich.
Polizei Köln, Lorenz Liekefett

Normalerweise arbeite ich im zivilen Einsatztrupp des Bezirk- und Schwerpunktdienstes der Kölner Polizei. Da ich fließend Französisch spreche, habe ich mich 2019 für einen Auslandseinsatz bei den „Europäischen Kommissariaten“ beworben und wurde angenommen. In der Sommersaison hieß es dann auf nach Südfrankreich. Mein Einsatzgebiet lag in der Stadt Agde am Fluss Hérault im gleichnamigen Département in der Région L ́Occitanie in Südfrankreich. Agde hat knapp 28.000 Einwohner. Die Stadt ist bekannt für seinen Tourismus und vor allem für das FKK- Camping. Die FFK-Anlage „Village Naturiste“ ist die am meistbesuchte FFK-Anlage der Welt. Die Touristen stammen überwiegend aus Deutschland, Italien, den Niederlanden, der Schweiz und natürlich aus Frankreich.

 

Anreise

Für die Anreise entschied ich mich für meinen privaten PKW. Eine Anreise mit dem Flugzeug und der Bahn wäre denkbar, jedoch sehr kompliziert. Da mein erster Dienst für den 1. August 2019 vorgesehen war, hatte ich mich bereits am 30. Juli 2019 auf den Weg gemacht. Für die insgesamt 1200 km lange Strecke habe ich einen Zwischenstopp in Valence eingeplant.

In dieser sympathischen, typisch französischen Kleinstadt an der Rhône konnte ich schnell feststellen, dass in Frankreich auf Grund der terroristischen Gefährdungslage auch das Militär schwerst bewaffnet Patrouille geht. Ein Bild, das so in Deutschland undenkbar erscheint.

 

Empfang und Begrüßung

Am „Commissariat“ angekommen, ging ich zum dortigen Empfang und stellte mich vor. Umgehend wurde ich der Wache und meiner Einheit vorgestellt. Da ich um die Mittagszeit angekommen war, wurde natürlich wie in Frankreich üblich, ausgiebig zu Mittag gegessen. Mein deutscher „Vorgänger“ vom Polizeipräsidium Düsseldorf war noch vor Ort und begrüßte mich, bis er schließlich die Heimreise antrat. Der erste Eindruck sowie die Begrüßung durch die Kommissariatsleiterin waren freundlich und sehr positiv. Weitere formelle Begrüßungen folgten nicht. Man muss jedoch erwähnen, dass mein „Vorgänger“ sich einer formellen Begrüßung durch Polizeiführungskräfte, überregionale Printmedien und einem Fernsehinterview stellen musste.

 

Persönliche Einsatzerfahrung

Ich war, wie auch mein Vorgänger, dem GSP („Les Groupes de Sécurité de Proximité) zugeteilt. Hierbei handelt es sich um eine Einheit der Police Nationale, die vornehmlich Präsenzdienste im öffentlichen Raum leisten, aber auch Verkehrsüberwachung, Gefangenentransport und begleitende Krankentransporte übernimmt.

Meine Regelarbeitszeiten waren von dienstags bis samstags von 9 bis 17 Uhr. Anders als bei uns in NRW ist die Police Nationale tatsächlich für Gefangentransporte zuständig. Sie begleiten vorläufig festgenommene Täter zu Gericht, solange bis ein Haftrichter eine Entscheidung getroffen hat. Sollte der Tatverdächtige dann in Haft gehen, wird der Tatverdächtige im Anschluss auch noch in das Gefängnis gebracht. Es gab Tage, da habe ich allein elf Stunden im Gericht verbracht, bis eine Entscheidung getroffen wurde.

Während meines gesamten Aufenthaltes in Frankreich gab es vier Einsatzanlässe, bei denen ich auf dem „Commissariat“ übersetzen musste, da deutsche Staatsbürger Anzeigen erstatten wollten.

 

Zwei besondere Fälle

Während meiner letzten Woche erschien ein deutsches Ehepaar in der Wache. Das Paar war emotional aufgelöst. Sie wollten eine Anzeige gegen einen Tatverdächtigen aus den USA erstatten, der am Vortag durch die Kollegen in Gewahrsam genommen worden war. Der Tatverdächtige, aber auch das Ehepaar mit seinen Kindern (9 und 16 Jahre) hielt sich gemeinsam am bekannten FKK-Strand im „Village Naturiste“ in Cap d ́Agde auf. Der Vater der Kinder bemerkte nach einer gewissen Zeit wie der Tatverdächtige sein Mobiltelefon im Sand positionierte und dieses bediente. Es sei hier gesagt, dass die Nutzung von Kameras und Mobiltelefonen an diesem Strand strengstens untersagt ist. Es kam zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Im Nachgang auf der Wache stellte sich nach Auswertung von den vor Ort sichergestellten Datenträgern heraus, dass der Tatverdächtige die Kinder 94 Minuten videografiert hatte. Außerdem wurden weitere Datenträger mit pädophilem Material ausgewertet. 

Im Nachgang stellte sich heraus, dass der Tatverdächtige durch die französische Justiz nicht in Haft genommen worden war. Die Kriminalpolizei hatte mich dann im Anschluss gebeten, die Anzeigenerstatter erneut telefonisch zu kontaktieren, um Ihnen die Entscheidung der Justiz zu mitzuteilen. Das deutsche Ehepaar war sehr dankbar, dass ein deutscher Polizist vor Ort war und Ihnen bei der Sachverhaltsschilderung geholfen hatte. Die Fremdsprachenkenntnisse der französischen Polizei sind überschaubar. Deutsch und Englisch wurden nicht gesprochen. Insgesamt war die Betreuung der Eltern, die Übersetzung der Umstände und die emotionale Ausnahmesituation für mich nicht alltäglich.

Darüber hinaus gab es noch einen weiteren Anlass, wo eine Übersetzung von Nöten war. Wie oben bereits dargestellt, mussten wir auch Krankentransporte durchführen. Dies bedeutet, dass Personen, die in Gewahrsam genommen wurden, einem Arzt im örtlichen Krankenhaus vorgestellt werden müssen, um sie einsperren zu können. Als ich im Krankenhaus wartete, betrat eine Rettungswagenbesatzung die Notaufnahme, die einen Schweizer Staatsbürger einlieferte. Die Ärzte und Rettungssanitäter konnten sich mit ihrem Patienten nicht verständigen. Ich konnte mich auch hier anbieten, zu übersetzten.

 

Camping statt Polizeikaserne

Anders als bei vielen anderen Kollegen wurde ich nicht in einer polizeilichen Kaserne, Hotel oder ähnlichem untergebracht. Sehr zum Erstaunen meines spanischen Kollegen lebten wir beide mit einem französischen Polizeischüler auf einem Campingplatz in einem Mobilheim. Hierbei handelte es sich um einen klimatisierten und ca. 45 Quadratmeter großen Campingcontainer mit WC, Dusche und einer kleinen Küchenzeile.

Da sich -gefühlt- ganz Frankreich im Sommerurlaub befand, war der Campingplatz gut besucht und der Platz, auf dem ich lebte, wurde im Internet recht günstig angeboten. Der Altersdurchschnitt der Besucher war daher recht niedrig und bei der französischen Jugend sehr beliebt.

 

Französische Gastfreundschaft und Kultur

Jede Woche wurden mein spanischer Kollege und ich von den verschiedensten Kollegen zu sich nach Hause eingeladen. Niemand hatte Berührungsängste oder gar Vorbehalte uns gegenüber. Mein spanischer Kollege Lucas und ich besuchten typische französische Dorffeste, bei denen sich das ganze Dorf an eine gemeinsame Tafel setzte und den Abend genoss. Lucas und mir wurde die französische mediterrane Küche näher gebracht. Es wurden fangfrische Meeresfrüchte und Fisch auf dem Grill zubereitet, sämtliche positive Klischees wurden hier bedient. Es gab Baguettes, Käse und französische Nachspeisen im Überfluss. Mein spanischer Kollege und ich waren von der Gastfreundlichkeit so begeistert, dass wir uns entschlossen, auch ein Abschiedsessen zu kreieren und ein Abschiedsgeschenk vorzubereiten. Letztendlich entschlossen wir uns zu einem großen, gerahmten Gruppenbild mit den jeweiligen Landeswappen.

 

Fazit

Insgesamt betrachtet war es mein erster dienstlicher Frankreichaufenthalt, so dass ich erste, aber tiefere Einblicke in die französische Polizeiarbeit gewinnen konnte. Der Respekt der französischen Bevölkerung gegenüber der Polizei überraschte mich sehr positiv. Ein Umstand, den ich aus NRW weitestgehend als „nicht mehr vorhanden“ betrachte. Freundliche Bürgergespräche aber auch kleinere Scherze untereinander gehörten zum täglichen Miteinander. Das schon bei vielen Menschen in Vergessenheit geratene Polizeibild: „Die Polizei, dein Freund und Helfer“, erlebte ich in Frankreich zum ersten Mal. Jedoch erklärten mir die französischen Kollegen, dass es dieses Bild in den französischen Großstädten Paris, Lyon und vor allem Marseille auch nicht mehr gibt.

Angesichts der gemeinsamen Probleme in Europa, dem Kampf gegen Terror, Einflussnahme politischer Extreme, illegaler Einwanderung oder organisiertem Verbrechen, auch eine Zusammenarbeit dieser Art halte ich für absolut erstrebenswert und sinnvoll. Um die gemeinsamen Probleme zu lösen, bedarf es eines ständigen Austauschs auf sämtlichen Ebenen.

Teil dieser Zusammenarbeit zu sein, waren mir Freude und Ehre zugleich - ich werde mich, soweit es meine hiesige Tätigkeit zulässt, wieder bewerben.

 

Struktur der französischen Polizei und des Commissariats in Agde

Generell gibt es in Frankreich drei verschiedene Polizeistrukturen. Zunächst ist die POLICE NATIONALE zu erwähnen, die in allen französischen Städten mit über 20.000 Einwohnern vertreten ist. Da die Stadt Agde ca. 28.000 Einwohner hat, war in Agde die Police Nationale vertreten. Sie ist dem Innenministerium unterstellt und übernimmt vergleichbare Aufgaben wie zum Beispiel die Polizei NRW.

Die GENDAMERIE NATIONALE verfügt in den Städten mit bis zu 20.000 Einwohnern über die polizeiliche Hoheit. Sie war bis zum Jahr 2009 ausschließlich dem Verteidigungsministerium unterstellt. Ab dem Jahr 2009 ist sie aber gleichzeitig auch dem Innenministerium unterstellt, jedoch ist sie weiterhin militärisch hierarchisch strukturiert.

Letztendlich ist noch die POLICE MUNCIPALE zu erwähnen. Sie untersteht direkt dem Bürgermeister der jeweiligen Kommune. Ihre wesentliche Aufgabe besteht in der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Vergleichbare Einheiten gibt es in NRW nicht. Eine mögliche Vergleichbare Polizeistruktur lässt sich in der Stadtpolizei von Frankfurt am Main wiederfinden.

Generell arbeiten alle Polizeien separat, bei polizeilichen Großlagen, wie zum Beispiel Terror in Paris und Nizza oder bei „Gelbwesten Demonstrationen“, arbeiten jedoch alle zusammen.

Die Struktur des „Commissariat“ der Police Nationale in Agde ist vergleichbar mit einer kleinen Hauptwache in Köln. Die Leitung hatte in meinem Fall eine „Commissaire“, einem ähnlichen Dienstgrad wie Polizeirätin / Polizeirat in Nordrhein-Westfalen.

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110