Psychosoziale Akutversorgung direkt nach belastenden Einsätzen – das ist die Aufgabe des PSU Teams Polizei NRW (Psychosoziales Unterstützungsteam). Dabei geht es längst nicht nur um das sogenannte „Post Shooting-Trauma“ nach Schusswaffengebrauch. Todesbedrohung und Gewalt gegen Polizeibedienstete und Suizide von Kolleginnen oder Kollegen sind zum Beispiel besonders belastende Ereignisse. Ein Einsatz muss allerdings keine bestimmten Kriterien erfüllen, damit das PSU Team tätig wird. Vielmehr geht es um die individuelle Belastung der Polizistinnen und Polizisten, wobei auch persönliche Aspekte eine Rolle spielen können. „Wenn Kinder sterben oder schwer verletzt werden, ist das für Kolleginnen und Kollegen, die selbst Eltern sind, oft besonders schlimm. Da gibt es dann nämlich einen Anknüpfungspunkt an die eigene Lebensgeschichte“, erklärt Hans-Joachim Maaßen. Er ist seit 2020 Teil des PSU Teams. „Es kann sein, dass ein Polizist schon bei 30 tödlichen Verkehrsunfällen war, doch dann triggert ein bestimmter Aspekt ihn plötzlich ganz anders. Wenn die Unfallopfer zum Beispiel Jugendliche auf dem Heimweg von der Disco sind und der Polizist sich dadurch an einen Unfall aus seiner Jugend erinnert“, sagt Maaßen.
Die Beamtinnen und Beamten entscheiden selbst, ob und wie viel Beratung sie möchten. Manche brauchen eher Ruhe und Zeit für sich als Gespräche oder verarbeiten das Erlebte lieber im privaten Umfeld. Bei der Akutbetreuung arbeiten die Mitglieder des PSU Teams oft eng mit den Polizeiseelsorgerinnen und -seelsorgern vor Ort zusammen. Alarmiert werden sie manchmal bereits, wenn der Einsatz noch läuft. Regulär erfolgt das von der Behörde über die Landesleitstelle. Betroffene können jedoch auch direkt den Kontakt zu einzelnen Teammitgliedern suchen. So ist von der Einzelbetreuung bis zur Betreuung einer gesamten Dienstgruppe alles möglich. Das PSU Team baut für die Polizeibeamtinnen und -beamten eine Art Sicherheitsnetz auf und will im Ernstfall schnell für die Betroffenen da sein. Deshalb ist das Team 365 Tage im Jahr erreichbar und die Teammitglieder fahren in der Regel zu den Kolleginnen und Kollegen.
Seit dem 1. Oktober 2020 gibt es zudem eine eigene Geschäftsstelle des PSU Teams, die inzwischen eine wichtige Unterstützung für die Arbeit des Teams darstellt. Sie übernimmt vielfältige administrative und organisatorische Aufgaben rund um das PSU Team Polizei NRW sowie das Berichtswesen, die Koordination und die Vernetzung. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Mitgliedern entlastet die Geschäftsstelle das Team spürbar.
Wer bereits seit der Geburtsstunde des PSU Teams vor 30 Jahren mit dabei ist, ist Polizeiarzt Dr. Christoph Pahlke. Damals waren sie nur zu zweit – quasi ein PSU-Duo. Ein Polizeivollzugsbeamter stand dem Arzt beratend zur Seite. „Wir waren damals mit die Ersten in Deutschland, die ein Betreuungskonzept für Polizeibeamtinnen und -beamte nach belastenden Ereignissen entworfen haben. Andere Bundesländer haben sich danach einiges bei uns abgeguckt“, erzählt Pahlke. In den 1990er Jahren wurde eine psychologische Betreuung noch in weiten Kreisen als nicht erforderlich erachtet. Das hing auch mit dem damals vorherrschenden Ideal des starken Mannes, der keinen Schmerz kennt, zusammen. Die seelische Gesundheit spielte in der Gesellschaft keine große Rolle. Nach Feierabend gab es ein Bier, aber über belastende Ereignisse hat man kaum gesprochen. „In den ersten Jahren mussten wir das Betreuungsteam erst mal bekannt machen. Anfangs haben wir von Einsätzen mit potenziell belastenden Ereignissen eher aus den Medien erfahren als durch Meldung der Polizeibehörden“, erinnert sich Pahlke. Heute hat es sich etabliert, dass das PSU Team bei außergewöhnlichen Belastungen sofort durch die Vorgesetzten alarmiert wird. Sie werden bei Führungstagungen und Schulungen dafür sensibilisiert. Außerdem hat generell ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden, sodass psychische Belastungen kein Tabuthema mehr sind. „Wir geben Werkzeuge an die Hand und zeigen Wege auf Hilfe zur Selbsthilfe sozusagen. Wir reden viel, aber vor allem hören wir zu“, sagt Pahlke.
Nachdem die ersten Kolleginnen und Kollegen die Hilfe des Betreuungsteams in Anspruch genommen hatten, wuchs allmählich die Akzeptanz und das Angebot etablierte sich rasch innerhalb der nordrhein-westfälischen Polizei. Die Mundpropaganda führte zu immer mehr Einsätzen des PSU Teams und so wuchs auch die Anzahl der Teammitglieder. Aktuell sind es 18 Personen, die über ganz Nordrhein-Westfalen verteilt sind. Die Kombination aus Polizeiärzten und Polizeibeamten im höheren Dienst hat sich bewährt und ist bis heute geblieben. Alle PSU-Mitglieder verfügen über die gleiche psychosoziale Fortbildung und sind für die Akutbetreuung nach belastenden Einsätzen geschult. „Meistens ist das Ereignis nach einem Zeitraum von bis zu sechs Wochen verarbeitet, aber das kann auch schon nach wenigen Tagen der Fall sein. Wenn deutlich wird, dass der Bedarf über eine erste Akutbetreuung hinausgeht, empfehlen wir weitere Schritte etwa über die psychologischen und psychotherapeutischen Fachkräfte der ZPSU oder der RPSU (Zentralstelle oder Regionalstellen Psychosoziale Unterstützung)“, erklärt Dr. Pahlke.
Es hat sich bewährt, dass die Teammitglieder selbst aus der Organisation kommen. „Da wir nicht in den Behörden verankert sind, sind wir weit genug entfernt, um neutral zu sein. Aber wir sind auch dicht genug dran, um zu wissen, wie die Leute ticken“, sagt Maaßen. Für ihn sei das Nebenamt im PSU Team das Sinnstiftendste, was er in seiner Laufbahn gemacht hat. „Wenn es den Kolleginnen und Kollegen nach der Betreuung wieder besser geht, ist das der beste Dank.“