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Razzia in Essen
Null-Toleranz-Strategie: Bedrohung, Raub, gefährliche Körperverletzung
Das Landeskriminalamt NRW (LKA NRW) hat das erste Lagebild zur Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen erstellt. Das Ergebnis: In mehr als einem Drittel aller registrierten Fälle bedrohen, berauben oder nötigen Mitglieder krimineller Großfamilien andere Menschen oder verletzen sie sogar gefährlich.
Streife-Redaktion

„Clankriminalität ist keine Kleinkriminalität. Wir reden teilweise von schweren Verbrechen bis hin zu Tötungsdelikten“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Insgesamt zählen die Spezialisten des LKA 104 Clans, deren Mitglieder in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2016 bis 2018 auffällig geworden sind. Das Lagebild weist 6.449 Tatverdächtige aus, denen insgesamt 14.225 Straftaten zuzuordnen sind. Auch 26 versuchte und vollendete Tötungsdelikte konnte die Polizei Clanmitgliedern zuordnen. Rund 20 Prozent der Tatverdächtigen sind weiblich. bei der Staatsangehörigkeit zeigt sich folgendes Bild: etwa ein Drittel ist libanesisch, ein Drittel deutsch. das letzte Drittel setzt sich zusammen aus Syrern, Türken, aber auch Personen mit einer nicht geklärten Nationalität.

 

Auch in ländlichen Gebieten aktiv

In ihrem Lagebild kommt die Polizei zu dem Schluss, dass kriminelle Großfamilien im ganzen Land aktiv sind, ein Schwerpunkt aber in den Metropolen des Ruhrgebietes liegt. Allerdings sind diese Clans auch in den Großstädten am Rhein tätig und fallen inzwischen selbst im ländlichen Raum durch Straftaten auf. Neben offenen illegalen Aktivitäten wie Rauschgifthandel, Glücksspiel- oder Sozialleistungsbetrug betreiben Clanmitglieder auch scheinbar legale Geschäfte im Bereich Autohandel, Sicherheitsdienstleistungen oder Schlüsseldienste – meist mit dem Ziel zu betrügen, Geld zu waschen oder als Tarnung für kriminelle Vorhaben.

 

Drogenhandel, Shisha-Bars und Wettbüros

Der Handel mit illegalen Betäubungsmitteln steht bei den Aktivitäten der Großfamilien im Vordergrund. dies betrifft in erster Linie den internationalen Handel mit Kokain und Cannabis. Angehörige der Familien sind dabei über die gesamte Lieferkette unterschiedlich involviert. Direkte Bezüge in die südamerikanischen Produktionsstandorte können ebenso nachgewiesen werden wie die Finanzierung, der Transport oder die Verteilung der Drogen auf zentraler Ebene. Eine weitere Einnahmequelle: der Betrieb von Shisha-Bars. Als Treffpunkt für kriminelle Großfamilien dienen die Bars der Kontaktpflege und damit auch zur Vorbereitung und Verdeckung von Straftaten. Sie bieten zudem ein großes Potenzial für Geldwäsche – einmal durch die Investition in die Immobilie selbst, aber auch, um dort unversteuerten Tabak zu vertreiben. Ähnlich den Shisha-Bars bieten auch Glücksspielstätten eine Basis zur Vorbereitung und Begehung von Straftaten. Darüber hinaus werden dort Spielgeräte manipuliert, wodurch erhebliche Geldsummen erwirtschaftet werden.

 

Verbindungen zur Rapper- und Kampfsport-Szene

Einige Angehörige türkisch-arabischstämmiger Clanfamilien verfügen über Verbindungen zu teilen der Rapperszene. Sie erfahren damit ein großes Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit, die der eigenen Reputation außerhalb des Milieus dienen soll. Eine weitere Rolle spielt die Kampfsportszene. Der Besuch, die Ausrichtung wie auch die Teilnahme an Kampfsportveranstaltungen wie Boxen oder Mixed Martial Arts scheint für die Szene an Bedeutung zu gewinnen, um sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. In erster Linie dienen die Kampfsport-Veranstaltungen der Pflege von Beziehungen, der Kommunikation, aber auch dem Zurschaustellen von Freund- und Feindschaften sowie Allianzen im Milieu. Die Sitzordnung, die Größe der begleitenden Entourage sowie die Art und Weise, wie Gäste begrüßt werden, zeichnet dabei ein sehr ausdifferenziertes Bild und gibt Hinweise auf Hierarchien und die Wichtigkeit von einzelnen Personen.

Das Lagebild weist zehn Clans aus, die zusammen für ein Drittel der erfassten Straftaten verantwortlich sind. „Das sind schon Mafia-Strukturen und Parallelwelten, in denen die Missachtung von Recht und Gesetz von einer Generation auf die nächste weitergegeben wird. Diesen Mechanismus zu durchbrechen, ist unser Ziel. Schon im Interesse der Kinder, die in diesem Milieu aus Gewalt und Verbrechen aufwachsen müssen. Aber selbstverständlich gibt es in diesen Familien auch viele rechtschaffende Leute. Und es gibt Leute, die vom kriminellen Tun genug haben. Diesen sollten wir in Zukunft auch Ausstiegsangebote unterbreiten«, so Reul.

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