Harald Wolff vom Dezernat für Auslandsverwendungen in Brühl hat einen Besuch bei seinem Kollegen und Freund Stefan für ein Interview genutzt.
Harald Wolff:
Stefan, in Deiner ersten Lagemeldung hattest Du einen Faktencheck im Hinblick auf gängige Klischees gegenüber Amerikanern angekündigt. Welche treffen denn zu?
Stefan Schwarz:
Es ist schon interessant und hier und da spaßig zu sehen, wie die Menschen hier ticken. Ja, die Einkaufswagen im Supermarkt haben einen Getränkehalter und da kann man locker einen Liter Cola drin unterbringen. A propos Einkaufen: Im Sommer nehmen wir für unsere Kinder einen Pullover mit zum Einkaufen, weil die Geschäftsräume in der Regel stark runtergekühlt werden. Thema Umwelt: Dazu passen auch die großen Autos (gerne 4 Liter Hubraum oder mehr) und die Benzinpreise von umgerechnet etwa 60 Cent pro Liter. Wie praktisch: Hier fährt jeder jede Strecke jederzeit mit dem Auto. Niemand käme auf den Gedanken kleine Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Meine Frau Susanne fährt im Sommer gerne zusammen mit unseren beiden Töchtern zur Schule (etwa 1 Meile) und wird regelmäßig angesprochen, wie „awesome“, „amazing“ oder mindestens „great“ das sei. Den Wärmedämmungsstandard unseres (gemieteten) Hauses würde ich auf die späten 1950er-Jahre datieren. Das bedeutet, dass sich die monatlichen Heizkosten im Winter – und der Winter an der Ostküste ist wirklich Winter – schon mal Richtung vierstellig bewegen. Sollte es dann im Schlafzimmer doch einmal zu warm werden: “Öffnet doch einfach die Fenster.” (Das war der lakonische Kommentar des Heizungsfachmanns.) Auch der jüngste Blizzard war ein echtes Spektakel, über das ja auch deutsche Medien berichtet hatten. Hamsterkäufe, Berichterstattung rund um die Uhr, Sicherheitshinweise, das komplette Weltuntergangs-Programm. Meine persönliche Sicht: Es ist Winter und es hat geschneit.
Es gibt natürlich noch viele weitere Beispiele aus dem Alltag. Vielleicht noch eines zur Abrundung, Stichwort Sauna: Natürlich geht man nicht nackt (obwohl getrennt), sondern gerne mit flauschiger Jogginghose oder Pullover - und mit Handy.
Harald Wolff:
Was können die Amerikaner denn richtig gut?
Stefan Schwarz:
Da ja hier alles „comfy“ (also comfortable) sein muss, ist der Kundendienst darauf eingerichtet und verdient seinen Namen: Umtauschen ist kein Problem, alle Wünsche werden zuvorkommend bedient, immer ein freundliches Wort (Da könnte so manche(r) Waren-Verwalter(in) großer deutscher Kaufhäuser mal hospitieren). Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Menschen hier offen, freundlich und hilfsbereit sind. Auch das Schlange-Stehen (muss man in New York oft) ist Teil der amerikanischen DNA: kein Gedränge, sehr diszipliniert, geduldig und routiniert. Außerdem haben wir ausgesprochen gute Erfahrungen mit der Public School gemacht, die unsere beiden Töchter besuchen. Die Sprachförderung für Nicht-Native-Speaker ist 1A, die Kommunikation mit den Eltern läuft super, und die Lehrer sind durchgehend engagiert. Unsere Töchter Lina (jetzt 6) und Jonna (jetzt 9) sprachen nach etwa 6 Monaten amerikanisch und bewegen sich leicht zwischen den beiden Sprachen. Hier und da kommt es nach knapp drei Jahren zu kleinen Rück-übersetzungspannen: “Papa, ist der Film wirklich schon über?” oder “Wie viele Bett-Zimmer hat denn die Wohnung?”
Harald Wolff:
Das klingt ja so, als wenn sich Deine ganze Familie gut in New York eingelebt hat.
Stefan Schwarz:
Ja, das stimmt. Es ist eine spannende Zeit hier und bei allen Alltagsproblemchen ist es immer noch etwas Besonderes, hier als Familie zusammenzuleben. Mein Sohn Leon macht gerade sein Abi an der deutschen Schule und will danach mit einem Freund aus Deutschland Nordamerika erkunden. Ein deutliches Zeichen, dass es ihm hier gut gefällt. Die beiden Mädchen fühlen sich ebenfalls weiterhin wohl hier, haben amerikanische und deutsche Freunde und finden es sehr aufregend, wenn wir von Freunden und der Familie aus Deutschland besucht werden. Das ist regelmäßig und häufig der Fall, worüber wir uns alle sehr freuen. Das Ganze hier ist schon ein echtes Familienprojekt, anders als der Einsatz in einer Friedensmission, wo man als deutscher Peacekeeper für einen relativ langen Zeitraum von der Familie getrennt ist und diese Alltagserfahrungen eben nicht teilen kann. Ich bin gespannt, wie die Kinder es finden, wenn wir wieder zurück nach Deutschland gehen werden. Wahrscheinlich werden sie die Autos zu klein, die „Bett-Zimmer“ in unserem Haus in Hürth zu wenig und die Geschäfte zu warm finden; wahrscheinlich werden sie auch die Getränkehalter am Einkaufswagen vermissen.
Harald Wolff:
Was gibt es Neues von Deiner Arbeit bei DPKO?
Stefan Schwarz:
Es bleibt spannend, der Bedarf an gut ausgebildeten Peacekeepern ist ungebrochen. Derzeit sind ja etwa 13.000 Police Peacekeeper aus etwa 90 Staaten im Einsatz, vorwiegend in afrikanischen Missionen. Der Trainingsbedarf konzentriert sich neben der allgemeinen Vorbereitung (“Pre-deployment Training“) immer mehr auf den Schutz der Zivilbevölkerung. Mehr als 90 % der uniformierten Peacekeeper arbeiten unter einem Schutzmandat, die Stichworte der Trainings hierzu lauten “Protection of Civilians”, “Child Protection”, “Conflict Related Sexual Violence” und “Sexual and Gender Based Violence”. Da ist noch eine Menge zu tun, bedenkt man, dass nur etwa 2/3 aller Police Peacekeeper überhaupt auf ihre Mission vorbereitet werden, und das bezieht sich auf die allgemeine Vorbereitung.
Harald Wolff:
Bist Du weiterhin so viel in der Welt unterwegs?
Stefan Schwarz:
Ja, die vielen Dienstreisen ergeben sich einfach aus meiner Arbeit. Ich komme gerade von einem Training in Delhi. Im letzten Jahr standen unter anderem Trainingsprojekte, Workshops und Konferenzen in Jakarta, Amman, Brasilia, Peking und hier und da auch in Europa auf dem Programm. Im März findet dann ein wichtiger Workshop beim Dezernat 13 -Auslandsverwendungen- in Brühl statt. Dabei geht es um die Überarbeitung und Novellierung des UN-Basistrainingspakets, auf dessen Grundlage weltweit alle Peacekeeper auf ihren Einsatz vorbereitet werden. Das wird eine spannende Sache mit 30 Teilnehmern aus etwa 18 Ländern, die wenigsten davon aus Europa.
Harald Wolff:
Hast du eigentlich etwas von den Ereignissen von Silvester in Köln mitbekommen?
Stefan Schwarz:
Ja klar, sogar die New York Times und andere haben auf der ersten Seite darüber berichtet. Während die Berichterstattung über die Euro-Krise im letzten Jahr eher klein gehalten wurde, war das Thema “Übergriffe durch männliche Flüchtlinge” hier wirklich groß. Mir fiel auf, dass Paris, das Flüchtlingsthema, Terrorismus und eben Köln da gerne in einen Topf gerührt wurden. Differenzierungen sah man hier selten, womit wir bei Deiner ersten Frage wären, Stichwort Klischees. Vielleicht kann man aber auch einfach als Europäer das ausgeprägte Bedürfnis der Menschen hier nach Sicherheit – gerade nach 9/11 – nicht vollständig nachvollziehen.
HW: Letzte Frage: Wer wird der nächste amerikanische Präsident?
Stefan Schwarz:
Die TV-Duelle hier sind großes Kino. Da werden Statements abgegeben, die in Deutschland unvorstellbar wären und im Vergleich zu seinen Mitbewerbern wirkte Jeb Bush auf mich wie ein Intellektueller. Für einen Präsidenten Trump fehlt mir die Vorstellungskraft und Hillary Clinton hat noch lange nicht gewonnen. Da das Wahlsystem hier direkter, weniger auf Parteien und mehr auf Personen bezogen ist, kann bis zum November noch einiges passieren.
Harald Wolff:
Vielen Dank für die Einblicke in Dein Leben in New York. Wird es eine dritte Lagemeldung geben?
Stefan Schwarz:
Klar, das wird dann die Abschlussmeldung.